Ich sage immer - die Tabelle lügt nach Spieltag 3. Sie kann lügen nach Spieltag 7. Aber sie lügt eben nicht nach Spieltag 28. Übertragen auf die Wahlen in Ostdeutschland heiist das: das ist nicht die erste Landtagswahl in Sachsen und Thüringen, sondern die xte. Der AfD kommt von ehedem irgendetwas über 10 % und ist jetzt über 30 % in beiden Ländern. Und mir muss jetzt niemand mehr sagen, daß wir im Osten Deutschland kein spezielles Problem haben. Hier müssen wir mal Schluss machen mit dem Gequatsche, daß wir - weil wir sonst alles auseinander dividieren - dieses spezielle Ostproblem nicht auch mal etwas dezidierter ansprechen und diskutieren müssen. Ostdeutschland ist enorm in die falsche, die extreme Richtung gerückt. Und ich habe immer noch dieses Bild von diesem Kerl aus Jena im Kopf, der allen Ernstes sagt(und es meint), daß nach der Wende nichts passiert ist. Grosse Teile der Bevölkerung in Sachsen und Thüringen teilen ganz offensichtlich diese Einstellung. Geschichtsvergessen bis zum Gehtnichtmehr.
Ich war nach der Wiedervereinigung ein riesiger Fan davon. Hab das auch mehrmals im Bekannten- und Freundeskreis verteidigt, weil ich einfach der Meinung war, dass es nur richtig und rechtens ist, dass Deutschland wieder ganz wird, wieder zu sich findet, alte Wunden kitten und zu einer echten Einheit werden kann.
Inzwischen hab ich einfach nur noch die Schnauze voll vom Osten, auch wenn´s hart klingt. Zumindest von dem Osten, der sich gerade in den letzten Wahlen so präsentiert.
Ich habe das Gefühl, alle jungen Leute von dort, die eine Perspektive wollen, die Potential haben, ziehen weg, in den Westen, Norden, Süden des Landes oder in die Großstädte im Osten (wenn überhaupt), um da etwas aus sich zu machen und nach vorne zu schauen. Was dann in den Ländern und auf dem Land dort noch übrig bleibt, sind Ewig-Gestrige und deren Kinder. Jugendliche, die von ihren DDR-geilen Eltern mit Geschichten von früher aufwachsen, als alle noch Arbeit hatten, sich ein Auto leisten konnten (auch wenn man da Jahre drauf warten musste), noch nicht so viele Ausländer im Land waren, die ihnen die Arbeitsplätze (die sie selbst nicht wollen) weggenommen haben etc. Einerseits wird von denselben Leuten wie bei Corona ständig erzählt, dass man schon mal in einer Diktatur (DDR) war und jetzt keine neue Merkel- oder Scholz-Diktatur wolle. Aber andererseits gehen genau diese Menschen auf irgendwelche Ostalgie-Veranstaltungen und klammern sich an ein "Früher", was es so nur in ihrer verklärten Retro-Brille gegeben hat.
Ich kann dieses ewige "Man hat uns vergessen", "keiner kümmert sich um uns" und dieses Suhlen in Selbstmitleid, dieses Hinterhertrauern der alten Bruderschaft zu Väterchen Russland, die doch immer so gut zu einem waren (deswegen war die DDR-Wirtschaft ja auch so unglaublich stark...), dieses ganze Selbstbedauern und -betrauern einfach nicht mehr ertragen. Wie kann man bitte 35 Jahre nach Mauerfall noch so... jammern? Wie kann man erwarten, dass man mit so einer negativen, engstirnigen, rückwärts gerichteten, blinden, vor lauter Wehklagen völlig abgeschotteten Denkweise erwarten, dass einem immer jemand anderes dabei hilft, die Zukunft zu gestalten?
Inzwischen bin ich so dermaßen angepisst vom "Osten" der Republik, dass ich - und ja, ich weiß, äußerst polemisch - nichts mehr dagegen hätte, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen und gerne auch Berlin, zu einem eigenständigen Staat zu erklären. Um nicht mehr mit den Leuten in einen Topf geworfen zu werden, die aus der Geschichte nichts gelernt haben, diese so drehen und wenden, wie sie es selbst gerade für angebracht halten und die es offensichtlich immer noch gut finden, instrumentalisiert und vor einen (blau-weiß-roten) Karren gespannt zu werden.
Und ich kann auch dieses ewige "Protestwahl" nicht mehr hören. Wie hier schon ausgeführt wurde: wer die AFD (und auch das BSW), über die inzwischen genug bekannt ist, trotzdem wählt, der macht das bewusst. Und der entscheidet sich auch schon vorher. Und hätte genug Zeit, um sich darüber zu informieren, wofür die Partei WIRKLICH steht. Wir müssen mal aufhören damit, solche Wähler mit Samthandschuhen anzupacken und ständig darüber zu reden, dass man mit denen in den Dialog kommen sollte. Ich habe in Videos gesehen, wie Politiker vor Ort versucht haben, mit AFD-Wählern in Kontakt zu treten. Krachend gescheitert allesamt. Die sind alle so verblendet davon, dass die AFD ihnen blühende Landschaften verspricht, wenn nur alle Ausländer weg sind und man sich wieder mehr Russland zu- und von den USA abwendet, dass die Realität darüber, was das AFD-Wahlprogramm eigentlich bedeutet, völlig ausblenden. Mit denen zu reden, zu versuchen, diese Leute mit Informationen zu überzeugen, ist sinnlos. Weil alle Informationen, die nicht von Youtube, Russia Today oder anderen "seriösen" Quellen kommen, von vorneherein als Lügenpresse abgecancelt werden.
Das Einzige, was da noch hilft, ist, wenn alle übrigen, demokratischen Parteien endlich mal zusammenschließen, ihre dümmlichen Kleinkriege beiseiteschieben und klar machen, dass die Mehrheit hier im Land eben KEINE AFD und BSW wählt und will. Aber ich fürchte, darauf werde ich noch länger warten müssen.
Sorry, musste mal raus.