Ich finde es ok, sich mit kurzfristigen Dingen zu beschäftigen und darüber zu diskutieren, aber unser Blick sollte sich auf die längerfristigen Entwicklungen konzentrieren.
Die letzten Jahrzehnte waren von viel kurzfristigem Denken, teils inkompetenten Führungsetagen, Personenkult, Konzept-Trainern, Grüppchenbildung, inhomogenen Teams und Ich-AG's, größenwahnsinnigen 3,4,5-jahresplänen, Maulwürfen in der Kabine und ner Menge Chaos "on top" geprägt.
Andere, man möge mir verzeihen, kleinere und unwichtigere Standorte haben uns in dieser Zeit vorgemacht, wie man trotz wenig Kohle, aber dafür viel Kompetenz, Geduld und einem Konzept konstant mal mehr, mal weniger erfolgreich Bundesliga spielen kann.
Es hat zwar lange gedauert, aber selbst der große FC hat irgendwann verstanden, dass das auch unser Weg sein muss. Selbstbild und Fremdbild waren hier lange sehr verzerrt, aber nach den ganzen Auf - und Abstiegen ist das mittlerweile sehr kongruent - der Klub ist realistisch geworden. Wir machen mittlerweile einige Sachen, die eigentlich kein Hexenwerk sind und die ich mir lange gewünscht habe.
Wir haben mittlerweile in großen Teilen FACHleute in der Führungsetage, die sich auch nicht scheuen, die Dinge beim Namen zu nennen. Wir haben eine Idee davon, wie wir Fußball spielen wollen, die keinen Augenkrebs verursacht und ziehen das kompromisslos durch. Wir haben ein homogenes Team, das den Namen auch verdient. Wir achten bei Transfers auch darauf, dass jemand in die Gruppe passt, soweit, wie das möglich ist. Wir haben einen Trainer, der der Mannschaft eine Handschrift verpasst hat und Spieler besser macht mit teilweise "bescheidenen" Mitteln. Wir geben unseren Jungen Spielern die Chance, hier ihren Weg weiterzugehen und versuchen, sie zu entwickeln und ihnen Spielpraxis zu geben. Wir sind ein Bundesligist und arbeiten daran, dass wir es auch längerfristig bleiben.
All das habe ich mir lange gewünscht und eigentlich schon fast abgeschrieben. Das funktioniert nur an anderen Standorten, in Köln kann das aber alles so nicht funktionieren. Doch! Kann es wohl! Dafür müssen aber alle vom "Weg" überzeugt sein, ihn konsequent weitergehen gegen alle Widerstände, so wie Steffen Baumgart das vorlebt und dabei das wichtigste und vielleicht auch herausfordenste nie außer Acht lassen - die Geduld.
Wenn wir hier mal eine gewachsene Mannschaft sehen wollen, brauchen wir das. Nicht jedem Spieler sofort die Bundesligatauglichkeit absprechen, der noch ein paar Entwicklungsprozesse durchmachen muss, sondern dem Trainer vertrauen, dass er solche Spieler dahinbringen kann und dafür müssen die halt auch mal spielen und ihre Fehler machen, um daraus lernen zu können.
Das meiste von dem, was wir hier schon einige Zeit genießen dürfen, hat ER uns gebracht mit seiner Idee von Fußball, die absolut teamorientiert ist, mit seiner Art und Weise, alle mitzunehmen - dabei mit dem zu arbeiten, was vorhanden ist und zu versuchen, diese Potenziale auszuschöpfen. Jetzt muss man dem ganzen nur ein bisschen Zeit geben und Dinge sich entwickeln lassen. Auch, wenn wir schon ein Stück in der zweiten Saison Baumgart sind, stehen wir in unserer Entwicklung in vielerlei Hinsicht noch in den Anfängen und trotzdem gibt es auch schon Sachen, die anfangen zu greifen.
Entwicklungen verlaufen nun mal nicht in geraden Linien, sondern sind ne "Kurvendiskussion". Der "Weg", von dem immer gesprochen wird, hat halt auch mal Schlaglöcher und es wird mal schlechter funktionieren, so wie vielleicht gerade, aber so eine richtig schlechte Phase gab es ja unter Baumgart noch gar nicht. Wenn die jetzt da sein sollte, bin ich mir sicher, dass wir trotzdem keinen Millimeter von besagtem Weg abweichen werden und ich bin überzeugt, dass uns das langfristig nach vorne bringen wird. Kurzfristig tut es das ja irgendwie auch schon.