Ich habe versucht, eine Erklärung zu liefern, warum die Grünen bei den Wähler noch so beliebt sind. Mein Erklärung ist, daß sie eben auf eine relativ starke Stammwählerschaft bauen können.
Ich bin unsicher, ob die Erklärung nicht zu einfach ist. Die Ampel hat nie geschafft zu vermitteln, dass sie "Ampel-Politik" macht. Nach außen sind das viel mehr drei Parteien, die jeweils ihre eigenen Themen vorbringen und sich teils dabei sogar oppositionell gegenüberstehen. Das betrifft insbesondere die FDP, welche dafür in meinen Augen auch zurecht abgestraft wird. Da fehlt jedwedes Teamwork.
Die SPD leidet in meinen Augen primär an ihrem völlig unsichtbaren und blassen Kanzler. Es gab zuletzt zwei gute, öffentlichkeitswirksame Ansprachen zu wichtigen, gesellschaftlichen Themenkomplexen. Und beide kamen nicht vom Bundeskanzler sondern vom grünen Wirtschaftsminister. Trotz aller Kampagnen gegen Heizungsgesetz und Co. zeigt sich öffentlich oft folgendes Bild der Ampel: SPD (Scholz) unsichtbar. FDP (Lindner) quertreibend und destruktiv. Grüne (Habeck, Baerbock) sachlich konstruktiv.
Das Bild ist natürlich oberflächlich, keine Frage. Aber ich glaube, dass im Gesamtbild der Ampel die Grünen den besten Eindruck hinterlassen. Weil sie versuchen, Themen vorwärtsgewandt und positiv zu besetzen. Die Grünen betreiben keine öffentlichkeitswirksame Oppositionsarbeit gegen die Koalitionspartner, sie waren von Anfang an bereit Kompromisse einzugehen und eigene Themen aus dem Koalitionsvertrag aufzugeben bzw. zu reduzieren.
Ich will hier gar keine Lobeshymnen auf die Grünen anstimmen, die Ampel bekleckert sich insgesamt nicht mit Ruhm und die Grünen gehören ganz klar mit dazu. Aber wenn ich bewerten müsste, welche Ampel-Partei (oder welche Ampel-Politiker:innen) für mich den positivsten Eindruck hinterlassen, dann sind das die Grünen. Und das zeigt sich in meinen Augen auch in den Umfragewerten. Die Ampel stürzt massiv gegenüber ihres Wahlergebnisses ab, die Grünen verlieren aber nur knapp 1%. Das spricht schon eine deutliche Sprache, denn abgestraft werden primär die beiden anderen Regierungsparteien.
Ich frage mich auch, mit wem die Union nach der Wahl zu regieren gedenkt, wenn man am erklärten Hauptfeind im Grunde gar nicht vorbei kommt und es beim Bekenntnis bleibt, mit der AfD nicht zusammenzuarbeiten. Für eine GroKo wird es Stand heute dünn. Und die FDP steht im Zweifel gar nicht zur Debatte.