Grosse europäische Mannschaften

  • Teil 1 - Arsenal London


    Mit dem FC Arsenal verbindet mich, daß ich - als ich in den 8oern in England arbeitete - des öfteren nach Highbury ging. Arsenal, das seinerzeit von George Graham trainiert wurde, hatte eine junge Mannschaft und eine Mannschaft, die defensiv ungeheuer stark war. Die Verteidigung mit Dixon, Adams, Bould und Winterburn galt als schier unüberwindlich und kompensierte die offensiven Schwächen. 1989 wurde Arsenal Meister und Nick Hornby hat dieses - unerwartete - Ereignis in seinem autobiographischen Meisterwerk Fever Pitch unvergesslich beschrieben. Ich weiss noch selber, daß ich es kaum fassen konnte, daß Arsenal das letzte Spiel in Liverpool(den direkten Kontrahenten) mit zwei Toren Unterschied gewinnen musste und es durch ein Tor in der letzten Minute des Spieles in Anfield tatsächlich tat. Indes - das Arsenal der 80er und frühen 90er Jahre war eine erfolgreiche, tapfere Mannschaft, eine grosse Mannschaft war es nicht.


    1996 kam ein junger Elsässer namens Arsene Wenger nach London und krempelte den Klub in den nächsten Jahren personell und auch von der taktischen Ausrichtung total um. Er verpflichtete Viera und Anelka, den Holländer Overmars und wurde 1998 mit Arsenal Meister. Danach dreimal Vizemeister, bevor 2001/2002 die nächste Meisterschaft an stand. In diesem Jahr hatte Arsenal es tatsächlich geschafft, in jedem Meisterschaftsspiel mindestens ein Tor zu erzielen. Torgarant immer wieder Thierry Henry. Es war die letzte Meisterschaft für Tony Adams, den langjährigen Kapitän der Gunners. Parallel schafften die Londoner den Pokalsieg, den man im Jahr darauf verteidigte. In der Meisterschaft spielte man lange um den Titel, verzockte diesen aber letzten Endes durch ein 2:3 gegen Leeds United.


    2003/2004


    Die Niederlage gegen Leeds sollte die letzte Niederlage in einem Meisterschaftsspiel für lange, lange Zeit bleiben. Es begann die Zeit der "Invicibles", der Unbesiegbaren. Saisonübergreifend verlor man 49 Spiele nicht und die Saison 2003/2004 hinüber blieb die Mannschaft komplett ungeschlagen - und das in der Premier League! Trotz Opponenten wie Chelsea, Liverpool und Manchester United. Das eine Mannschaft in England in einer Saison ungeschlagen blieb, hatte es einmal davor gegeben und zwar in der grauen Vorzeit des Fussballes - 1888/89. Die Mannschaft Arsenals in diesem Jahr war überragend. Ein Rad griff in das andere. Lehmann im Tor blieb in 16 Meisterschaftsspielen ohne Gegentor. Auch ein Verdienst der Abwehr um Toure, Campbell, Cole und Lauren. Im Mittelfeld regierte Patrick Viera, wirkungsvoll unterstützt von Silva, Ljungberg, Edu und einem Robert Pires in der Form seines Lebens. Und vorne lehrten Dennis Bergkamp als Verbinder zwischen den Linien und Torschützenkönig Thierry Henry die Gegner das Fürchten. "Arsenal ist nicht zu schlagen, weil wirklich jeder Spieler zu jeder Sekunde auf dem Platz weiss, was er zu tun hat", meinte Gary Lineker. Die Mischung zwischen Kämpfern, Strategen, unerbittlichen Gegenspielern, Feingeistern und eiskalten Vollstreckern mit Spielern wie Campbell, Viera, Silva, Pires und Henry war schlichtweg unwiderstehlich. Alles zusammengestellt, geformt, gefördert und gefordert von einem Trainer Wenger, der einen absoluten Höhepunkt seiner Schaffenskraft erlebte.


    2003/2004 - die Saison einer grossen Mannschaft.

    Lettore silenzioso

  • Teil 2 - FC Liverpool, 70er und 80er Jahre


    1964 wurde der FC Liverpool englischer Meister, im selben Jahr wie der 1.FC Köln. Im Viertelfinale des Europapokal der Landesmeister trafen diese beiden Mannschaften aufeinander. Es gab keinen Sieger. 0:0 in Köln. 0:0 in Liverpool. In Rotterdam gab es das Entscheidungsspiel. Liverpool ging 2:0 in Führung, Köln egalisierte. Verlängerung. Und dann kam es zu diesem historischen Münzwurf. Beim ersten Münzwurf blieb die Münze senkrecht im Rasen stecken, beim zweiten Münzwurf fiel die Münze auf die Liverpooler Seite.

    Der Meistertitel 1964 wurde der Beginn der grossen Liverpooler Zeit. Ihm folgte ein weiterer Meistertitel 1966. In den Jahren darauf war Liverpool immer ein Spitzenverein, aber die wirklich grosse Zeit begann ab der Saison 72/73. Spieler wie Clemence, Keegan, Toshack, Callaghan, Hughes, Heighway, Smith machten die Reds zum Meister und UEFA Pokalsieger gecoacht von einer Trainerlegende: Bill Shankly. "Es gibt Leute, die denken, Fussball sein eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann ihnen versichern, daß es noch sehr viel ernster ist".


    Shankly trat 1974 zurück, hatte aber den Grundstein für eine Liverpooler Mannschaft gelegt, die nicht nur den englischen Fussball sondern den europäischen Fussball für mehr als ein Jahrzehnt dominieren sollte. Liverpool gewann zwischen 1977 und 1984 4 x den Landesmeisterpokal und wurde zwischen 1973 und 1990 11 x Meister. Und wenn Liverpool nicht Meister wurde, dann wurde Liverpool Vizemeister. Neben den oben erwähnten Spielern wurde diese Ära der totalen Dominanz durch Spieler wie Dalglish, Sounes, Barnes, Rush, Neal, Hansen, Whelan geprägt. In Liverpool war dem Team im Grunde genommen überhaupt nicht bei zu bekommen. Liverpool erdrückte die Gegner mit einer Mischung aus ungeheurer Kampfkraft und Disziplin, Härte und Eiseskälte, gepaart auch manchmal mit technischer Brillanz - für die Spieler wie Keegan, Dalglish, Barnes standen. "Ich habe schon gedacht, daß es ganz gut ist nur einmal im Jahr nach Anfield zu müssen", sagte kein Geringerer als Glenn Hoddle, einer der der besten englischen Spieler der 80er Jahre. Diese Mischung aus Härte und Cleverness, aus Disziplin und Geschlossenheit - zusammen mit diesem unvergleichlichen Fluidum von Anfield - das konnte einen schon sehr beeindrucken.


    Liverpools ganz grosse Zeit endete in zwei Tragödien. In Brüssel kam es beim nächsten europäischen Endspiel gegen Juventus Turin zu Ausschreitungen und 39 Toten bei den italienischen Fans. Die englischen Clubs wurden für Europa gesperrt, Ende einer Ära - auch für Liverpool. Noch schlimmer kam es beim berüchtigten Fiasko in Sheffield, als beim Halbfinalspiel zwischen Liverpool und Nottingham(auf neutralem Platz) zu viele Karten verkauft wurden. In den Blocks der Liverpooler Fans wurde es immer enger und der Ausgang, der aus einem Tunnel bestand, war völlig verstopft. Liverpooler Fans versuchten auf das Spielfeld zu fliehen, das wurde zunächst von - falsch informierten - Polizisten verhindert. Am Ende stand eine Tragödie mit 96 toten Liverpoolern Zuschauern, unter ihnen der Cousin der späteren Liverpool Ikone Steven Gerrad.


    Liverpool - noch heute ein grosser Verein. In den 70ern und 80ern war er der Nabel der Fussballwelt.

    Lettore silenzioso

  • Teil 3 -Ajax Amsterdam 1969 bis 1973


    Anfang der 70er Jahre war der niederländische Fussball(vorher lange Zeit bestensfalls zweitklassig) auf dem Weg in die Weltspitze. Verantwortlich dafür waren Vereine wie Feyenoord Rotterdam(gewann den Europapokal der Landesmeister 1970) und natürlich Ajax Amsterdam. Und verantwortlich für die grossen Erfolge der Amsterdamer waren Spieler wie Wim Suurbier, Ruud Krol, Arie Haan, Johan Neeskens und vor allem der unvergleichliche Johan Cruyff. Geformt aber wurde diese Mannschaft von Rinus Michels, einem der grössten Trainer aller Zeiten(von 1981 - 1983 auch beim 1.FC Köln). Michels war ein Disziplinfanatiker und ein taktischer Visionär. Michels revolutionierte den Fussball. Seine Vorstellung von "Total Voetbal"(er liess dieses auch später bei der holländischen Nationalmannschaft spielen) war die, daß die vorher quasi starren Positionen der Spieler nicht mehr existierten. Sie sollten permanent rochieren und die Verteidiger sollten sich in den Angriff einschalten - genauso wie die Stürmer dafür verantwortlich waren, die Verteidigung zu unterstützen. Dinge, die heute weitestgehend normal erscheinen - damals waren sie quasi eine Sensation. Michels wurde mit Ajax 4 x Meister und 3 x Pokalsieger und gewann 1971 den Europapokal der Landesmeister. Er ging nach Barcelona und der Ungar Kovacs übernahm. Was sich nicht änderte, war die Spielweise - Ajax schien der Konkurrenz national und international geradezu um Lichtjahre voraus. 1971/72 beispielsweise gewann man die Meisterschaft mit 63:5 Punkten und schoss über 100 Tore(und die niederländische Liga war stark in jenen Jahren). In dieser Saison spazierte man förmlich durch den Europapokal der Landesmeister und im Endspiel gegen Inter Mailand war die grosse Inter Mannschaft jener Tage derartig Chancenlos, daß man vom Rennen "eines Vollblutpferdes mit einem Esel" sprach. Johan Cruyff war der beste Spieler auf dem Platz und das nicht nur in diesem Spiel. Ein Jahr später schlug Amsterdam erneut eine italienische Mannschaft, die von Juventus Turin. Die grösste Leistung aber hatte die Mannschaft im Viertelfinale gezeigt, als sie ein starkes Bayern München(mit Beckenbauer, Müller, Hoeness, Breitner, Maier) in Amsterdam beim 4:0 Heimsieg förmlich pulverisierte. "Das beste Spiel einer europäischen Mannschaft seit einem Jahrzehnt" hatte die französische Sportzeitschrift L´Equipe" damals gesehen.


    Danach endete die grosse Ajax Ära. Cruyff folgte Michels nach Barcelona, der wichtigste Abwehrspieler Hulshoff verletzte sich so schwer, daß er nie wieder an die alte Leistungskraft anknüpfen konnte. Was bleibt ist die Erinnerung an brillanten, taktisch innovativen Fussball und Spieler von einer enormen individuellen Spielkraft und Leistungsbereitschaft.

    Lettore silenzioso

  • Teil 4 - Bayern München 1973 - 1976


    Der Raketenähnliche Aufstieg des FC Bayern München begann im Jahre 1965, als der Club aus der Regionalliga Süd iie Bundesliga auf stieg. Die Bayern waren ausser 1932(Deutscher Meister) nie zu nationalen Ehren gekommen. Waren folgerichtig auch nicht Gründungsmitglied der Bundesliga wie der Lokalrivale 1860 München. Aber dann....

    Trainer Cajkovski(vorher in Köln Meistermacher) kam mit einer Mannschaft um Spieler wie Beckenbauer, Maier und Gerd Müller in LIga 1 und stürmte sie. Auf Anhieb Dritter der Meisterschaft. Pokalsieger 1966 und 67. Europapokalsieger der Pokalsieger 1967. Unter seinem Nachfolger Branko Zebec wurde man 1969 zum ersten Male nach 37 Jahren wieder Meister. Die Bayern danach in 70 und 71 Deutscher Vizemeister und dann - unter Trainer Udo Lattek von 72 - 74 dreimal in Folge Deutscher Meister. Das Gesicht der Mannschaft hatte sich da schon verändert. Maier, Beckenbauer und Müller waren immer noch da und sie waren unbestrittene Weltstars. Beckenbauer hatte sogar einen neuen Spieler erfunden - den Libero, den freien Mann hinter der Abwehr. Den er allerdings geradezu unverschämt offensiv interpretierte, ständiges Schwungrad seiner Mannschaft. Sepp Maier war einer der besten Torleute der Welt und Stürmer Gerd Müller ein Phänomen. Den sah man 90 Minuten auf dem Spielfeld nicht und er schoss dann - mindestens - zwei Tore. Unnachahmlich. Torschützenkönig nicht nur in der Bundesliga, sondern auch bei der WM 70. Bester Stürmer der Welt. Zu den "Grossen Drei" waren Georg Schwarzenbeck, Paul Breitner und Uli Hoeness gestossen. Schwarzenbeck hielt als Mann für das Grobe Beckenbauer den Rücken frei, Breitner spielte schon in jungen Jahren einen formidablen linken(offensiven) Aussenverteidiger und Uli Hoeness sorgte mit seiner Laufbereitschaft und seiner Torgefährlichkeit für Furore. Diese sechs Bayern wurden 1972 mit der Nationalmannschaft Europameister und zwei Jahre später auch Weltmeister.

    1973 waren die Bayern noch relativ schmachvoll im Europapokal der Landesmeister gegen Amsterdam ausgeschieden. Aber ab 1974 regierte in Europa nur noch München. 1974 gewann man gegen Atletico Madrid im Wiederholungsspiel mit 4:0. 1975 schlug man Leeds United in einer Schlacht ohnegleichen(Leeds trat auf alles, was sich bewegte und die Leeds Fans nahmen den Pariser Prinzenpark förmlich auseinander) mit 2:0 und 1976 schlug man ein unglückliches St. Etienne mit 1:0. Dreimal Sieger hintereinander - wie Ajax Amsterdam.

    In der Bundesliga lief es nicht mehr so rund. 74 wurde man noch einmal Meister, 75 wurde man nur 10ter, 76 immerhin 3ter. 77 war es Rang 7 und 78 Rang 12. In Europa regierten die Bayern bis zum März 77 - als man knapp gegen ein sehr gutes Dynamo Kiew ausgeschieden war. Man regierte aufgrund der immer noch überragenden grossen Drei und aufgrund einer Spielweise, die man nur als abgezockt bezeichnen konnte. Die Mannschaft brauchte wenig Chancen(und hatte einen Gerd Müller) und sie schaffte es immer wieder dem Gegner jegliche Lust am Spiel zu nehmen. "Fussball Realismus in Reinkultur" - wie das Kicker Sportmagazin seinerseits titelte.


    Die grosse Zeit des FC Bayern endete im Frühjahr 77, zweifach sozusagen. Man schied gegen Kiew aus und Franz Beckenbauer zog es nach New York. Nie mehr hat es deutsche Mannschaft geschafft(auch Bayern nicht) eine derartige europäische Dominanz aufzubauen.

    Lettore silenzioso