Begegnungen im Fussball

  • Gestern habe ich die neue Ausgabe von 11 Freunde gelesen. Günter Preuss - langjähriger Kapitän des MSV Duisburg - gab Einblicke in sein Fussballerleben und die Frühzeit der Bundesliga. Und natürlich erzählte er auch aus seinem Privat - und Arbeitsleben.


    Natürlich kenne ich Günter Preuss, den eisenharten Innenverteidiger der Zebras der Frühzeit der Liga. Wenn man - wie ich - viel im Ruhrgebiet unterwegs war und ist, dann kennt man auch den Duisburger Norden, wo der Meidericher Spielverein beheimatet war und ist. Am besten kannte ich aber von all diesen Recken des stolzen Bundesligaentrees einen anderen. Ludwig "Lulu" Nolden, den frühen Elfmeterkönig der Liga. 15 Elfer - 15 Treffern. Ludwig Nolden war Aussenläufer der Meidericher. Unglaublich abgeklärter Spieler, unglaublich cleverer Spieler und ein unglaublicher netter Mensch. "Lulu" betrieb nach seiner aktiven Karriere zusammen mit seiner Frau Erika unter anderem eine Gaststätte in Meiderich. Anlaufpunkt vieler Exspieler und auch ich war oft da. Ludwigs "Problem" war, daß er keine wirkliche Lust hatte, Kneipier zu sein. Weil er - mal abgesehen von dem einen oder anderen Bier in der Woche - nicht getrunken hat. Und so fragte er mich dann irgendwann, ob es bei uns keine Stelle für ihn gäbe. "Ludwig, was kannst du denn so ausser Fussball spielen und Bier zapfen"..."Na, ich kann zum Beispiel LKW fahren", sagte Ludwig. "Prima, dann frage ich doch mal unseren Fuhrparkleiter in Duisburg". Zwei Wochen später fing Ludwig "Lulu" Nolden bei uns an und seine Gattin Erika betrieb die Kneipe weiter.

    Nun sollte man wissen, daß wir seinerzeit in Duisburg eine Betriebsfussballtruppe hatten. Wobei Truppe nicht der richtige Ausdruck war - das waren nur Spieler Landesliga aufwärts. Aktive Verbandsliga - und Oberligaspieler und jetzt hatten wir auch noch einen ehemaligen Bundesligaspieler. Ludwig Nolden war 53, aber fit wie der sprichwörtliche Turnschuh. Und fussballerisch machte dem sowieso niemand etwas vor. Wir wurden eingeladen zu einem Betriebstruppenturnier in Hamm, Westfalen. 16 Mannschaften a 4 Gruppen. In der Vorrunde jeweils 2 x 15 Minuten, Viertelfinale und Halbfinale 2 x 20 Minuten und Endspiel 2 x 25 Minuten. "Lulu" gab den Libero und ich spielte zentral vor ihm. Nach dem dritten Vorrundenspiel sagte Nolden:"Ich habe keine Lust mehr, ich bekomme da hinten keinen Ball. Stimmte - in der Vorrunde gab es Ergebnisse von 5 oder 6 Gegentreffern für die gegnerische Mannschaft und dabei waren wir noch gnädig. Über die Mittellinie kamen die nur bei dem Anstoss nach dem Gegentreffer. "Rege dich nicht auf, Ludwig. Ich gehe auf Libero und du gehst ins Mittelfeld". Der hat seine Gegenspieler - 20 bis 30 Jahre jünger - komplett lächerlich gemacht. Viertelfinale 7:0, Halbfinale 7:0 und Endspiel 8:0(übrigens war mir dann als Libero ziemlich langweilig). Nolden schoss übrigens im Turnierverlauf 4 Elfer und hat die mit einer Seelenruhe verwandelt, das war sagenhaft. Nach dem Turnier bekamen wir den Pokal und der Vorstandsvorsitzende des Ausrichters kam dann zu uns. "So eine Truppe habe ich hier noch nie gesehen, das war ja irre. Aber eines ist klar - euch laden wir nie wieder ein. Ausser euer Oldtimer spielt bei uns". Worauf Lulu trocken zurück gab: "Mich könnt ihr gar nicht bezahlen".


    Jahre später verlor ich kurzzeitig den Führerschein für einen Monat. Und musste zu auswärtigen Terminen kutschiert werden. Geh zum Fuhrparkleiter und frage: "Wer ist dein bester Fahrer?!"..."Na, wer schon?! Ludwig Nolden natürlich." Einen Monat fuhr Ludwig Nolden mich durch die Republik. Ich habe Tränen gelacht - Lulu erzählte Stories aus dem Leben und dem Fussball, das war sagenhaft. Unter anderem über seinen Gegenspieler Wolfgang Overath vom 1.FC Köln. "Das war der schlimmste Finger in der Liga. Der kannte mit 21 schon jeden Trick - mit dem Ball und ohne Ball auch...Aber als Fussballer - absolute Weltklasse". Und erzählte dann mit sichtlichem Stolz, daß er mit Meiderich 1965 in Köln nach einem 0:1 noch 2:1 gewonnen hätte. "Und das war eine Leistung, das sage ich dir. Köln mit Overath, Benthaus, Wilden, Löhr, Thielen, Christian Müller und all den Jungs. Das war eine europäische Spitzenmannschaft. Wir waren schon froh, daß Hans Schäfer nicht dabei war, der war zu ausgeschlafen für uns. Zwei Tore von Pille haben das Ding gedreht(gemeint ist "Pille" Gecks, Aussenstürmer von Meiderich). Und ich hab dem Overath anschliessend die lange Nase gezeigt. Vorher hat der mir die lange Nase gezeigt, als er mir den Ball innerhalb von zwei Minuten zweimal durch die Beine gespielt hat, der alte Sauhund".


    Lulu war bei uns bis zu seinem Eintritt ins Rentenalter. Hoch geschätzter Kollege, ein Topmensch. Der hat nie ein böses Wort über jemand verloren(ausser über Wolfgang Overath, den alten "Sauhund").


    Kommen wir zurück zu Günter Preuss und all diesen Granaten aus dem Duisburger Norden. Als die in die Bundesliga kamen 1963 war das eine Sensation. Das war eine Vorstadtmannschaft, 4 Spieler wohnten in der gleichen Strasse. Die kannten sich von Kind auf, die gingen neben der Beschäftigung als Fussballer arbeiten. "Those were the times".

    Lettore silenzioso