Jahrhunderthochwasser 2021 / Spendenaktion möglich?

  • Also ich kann nur von mir sprechen. Ich hab halt das Glück, dass ich... Außenstehender bin. In dem Sinne, dass ich abends nach Köln fahren kann, ich hatte auch die ganze Zeit über Strom, fließendes Wasser, ein Bett, einen Fernseher, eine Wohnung, alles. Ich bin zum Helfen bei Freunden und Familie nach Ahrweiler, Dernau, Bachem gefahren. Hab zwar auch mal da übernachtet, aber meistens hab ich mich nach getaner Arbeit ins Auto gesetzt und bin heim zur Freundin und dem Hund. Das hilft bei der Verarbeitung dessen, was man gesehen hat.


    Man muss sich in der Tat davon frei machen, vor Ort allen helfen zu können, alles alleine oder auch selbst in einer Gruppe von einem auf den anderen Tag verändern zu können. Der Prozess wird vor Ort noch Jahre andauern. Alleine die nächsten Schritte werden lange Zeit und viel Kraft und Geld in Anspruch nehmen. Die meisten Leute, mit denen ich mich unterhalten habe, denken auch kaum an morgen oder gar übermorgen sondern nur daran, was jetzt zu tun ist. Die sagen selbst, dass sie sonst wahnsinnig werden. Kleine Schritte, einen nach dem anderen. Tunnelblick. Viele "wissen" auch nicht, wie es woanders aussieht, weil sie zu sehr mit sich und den Nachbarn beschäftigt sind. Was auch völlig in Ordnung ist.


    Was man merkt ist, dass der Zusammenhalt auch untereinander größer geworden ist. Nachbarn, die sonst jahrelang nur "Hallo" gesagt haben, sind auf einmal Freunde geworden. Man hilft sich, wo man kann, tauscht sich aus, redet, trinkt was zusammen, isst gemeinsam, leidet, lacht, sieht nach vorne.


    Manche Freunde von mir neigen momentan schon dazu, sich das auch irgendwie... "schön" zu trinken, aber ich kann´s verstehen. Würde es nicht anders machen. Das ist häufig das Einzige, was jetzt noch bleibt: abends, wenn das Werkzeug fällt, Bierchen aufmachen, sich auf ne Bank hocken, Musik hören, alte und neue Geschichten erzählen, noch n Bierchen aufmachen, bis es Zeit wird für´s Bett oder wo auch immer man schläft, weil´s am nächsten Tag wieder weitergehen muss.


    Die Tatsache, da jetzt aus Köln nur zum Helfen zu kommen, ist "Fluch" und Segen zugleich. Segen, weil es die Verarbeitung leichter macht. Ich hab die Bilder tagsüber vor Augen oder im Kopf gehabt. Fahre ich heim, schalte ich ab. Mache ich sonst auch im Job so. PC aus - Arbeit weg. Sonst würde ich wahnsinnig werden. "Fluch" deswegen, weil man merkt, wie die Leute vor Ort näher zusammenrücken, während man selbst irgendwie außen vor ist, ganz gleich, wie oft man da war und geholfen hat. Man ist halt kein Teil der Katastrophe gewesen. Alle freuen sich für einen, auch wenn man erzählt, dass die eigenen Eltern Glück hatten und trocken geblieben sind - aber man ist halt abends wieder weg.


    Umso wichtiger ist es für mich, dass meine schon vorher gemachten Pläne, nächstes Jahr zurück zu ziehen, von der Katastrophe nicht zerstört wurden, sondern noch stärker geworden sind. Vielleicht nicht, wie gedacht, ins eigene Haus, aber zumindest in ne Wohnung, um vor Ort zumindest beim Aufbau der Heimat zu helfen und nicht später ins gemachte Nest zurückzukommen.


    Auf jeden Fall ist es wichtig, sich den Humor nicht nehmen zu lassen. Das sagen mir alle. Ein Freund, dessen Haus abgesoffen ist, hat ein Video von sich aus den letzten Tagen und Wochen mit dem Soundtrack von "Baywatch" unterlegt. Andere freuen sich über ne hässliche Kappe, die sie im Schlamm finden, während alle anderen Sachen, an denen sie wirklich gehangen haben, weg sind. Dann wird die Mütze halt getragen und alle machen Witze darüber. Es wird darüber gefrotzelt, dass Sachen weg sind, die man selbst eh nicht leiden konnte - auch wenn sie dem Partner oder der Partnerin gehört haben, manchmal wird´s auch vom Humor her derbe, aber ich feiere das, weil es zeigt, dass die Leute nicht gewillt sind, aufzugeben. Sachen weg? Scheiße. Haus weg? Scheiße. Aber den Humor, den nimmt auch die Flut nicht weg. Und den Kampfgeist.


    Und wenn ich jetzt in Ahrweiler bin, sehe ich die Leichen, die ich vorher gesehen habe, nicht mehr. Nicht die zerstörten Autos, die Schlammberge, die weggeworfenen Existenzen in Form von Wohnungseinrichtungen, Klamotten oder Spielsachen, die in Haufen vor den Häusern aufgeschüttet wurden. Ich sehe die zerstörten Brücken nicht mehr und fokussiere mich lieber auf das, was nach vorne geht: jetzt liegt mehr rausgestemmter und -geschaufelter Boden vor den Häusern, abgeschlagene Fliesen und Putz. Das zeigt: es geht voran. Es gibt Brücken des THW und der Bundeswehr, die wieder die Ortsteile miteinander versorgen. Manche Straßen haben wieder Strom. Es gibt Brauchwasser in den meisten Häusern. Man arbeitet an der Wiederherstellung des Gasnetzes. So was sehe ich jetzt eher. Das, was gut ist. Auch das hilft.


    Das sieht in vielen kleineren Orten noch immer anders aus. Manche werden nie wieder so sein wie früher. Manche vielleicht nicht mal mehr neu aufgebaut.


    Auch das ist ne Sache, die jetzt angegangen werden muss: wie will man das Ahrtal in Zukunft gestalten, damit es nicht noch mal so kommt!? Man kann nicht einfach 1:1 weitermachen, da muss jetzt ein Plan her, einer, der langfristig angelegt ist und gleichzeitig die kurzfristigen Bedürfnisse aller Bewohner erfüllt aber auch eine Vision hat, die solche Katastrophen zu verhindern oder zumindest zu vermindern weiß.


    Aber insgesamt finde ich, dass die Menschen vor Ort mit ihrer Art, damit umzugehen (zumindest großteils) und auch die Fortschritte, die man sieht, wenn man öfters da ist oder zumindest regelmäßig, es einfacher machen, das zu verarbeiten, weil man sieht, wie sehr jeder Einzelne dabei helfen kann und auch, wie dankbar alle sind, denen man begegnet, denen man irgendwo anpackt oder mit denen man auch nur fünf Minuten redet.

    "Peace is a lie. There is only Passion."

  • Die Flut - Chronik eines Versagens
    Mindestens 189 Menschen kamen im vergangenen Sommer bei der Flutkatastrophe ums Leben, die sich vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz abspielte.…
    www.ardmediathek.de


    Vor einem Jahr war der schreckliche Regen, dessen Folgen damals vorher gesagt, aber an zu vielen Stellen ignoriert wurden

    In der Hoffnung, dass man künftige Vohersagen dann direkt ernst nimmt :candle: :candle:

    Mer schwöre dir, he op Treu un ob Iehr! Mer stonn zo dir, FC Kölle! Un mer jonn met dir, wenn et sin muss durch et FUER :FC: :effzeh: :red_heart:

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