Am kommenden Sonntag ist es 40 Jahre, daß der 1.FC Köln im Münchener Olympiastadion gastierte. Nein, nicht gegen den FC Bayern ging es - sondern gegen deren Lokalrivalen, den TSV München 1860. Rückrundenauftakt in
der Saison 1979/1980. Ich war zu dieser Zeit in Süddeutschland bei einer Bundeswehrveranstaltung und hatte vorher mit meinem alten Herren gewitzelt, daß er mich doch dann treffen solle und wir würden gemeinsam das
Spiel sehen. Solche "Witze" machte man mit meinem Vater nicht, der nahm das glatt für bare Münze. Am Freitag vor dem Spiel kam der UvD bei uns auf die Stube. "Ich glaube, da ist dein Vater am Telefon. Der hat gesagt, ich
solle dich schleunigst ans Telefon holen"...Ok...."Ich bin morgen um 12 Uhr bei dir. Nach München brauchen wir maximal dann eine Stunde", so lautete die knappe Ansage.
Der FC hatte in dieser Saison wieder eine Topmannschaft. Heinz Flohe - das ist dann noch eine andere Geschichte zu diesem Spiel - war zu den 60ern transferiert worden. Aber Anthony Woodcock war aus Nottingham geholt
worden. Und in der Saison 79/80 ging der Stern von Pierre Littbarski mehr und mehr auf. Und - vor allem - der Stern eines gewissen Bernd Schuster. Köln war nach der Hinrunde 3ter - gerade mal 2 Punkte hinter den Bayern und
einen Punkt hinter dem HSV. Die 60er schwebten in Abstiegsnot und waren 15ter. Waren also auf jeden Punkt angewiesen.
Die Karten besorgten wir uns vor Ort. Knappe 20.000 Zuschauer waren vor Ort, unfassbar wenig - vor allem für heutige Verhältnisse. 60 in einem ganz wichtigen Spiel gegen eine Topmannschaft der Liga, die in folgender Auf-
Stellung begann:
Schumacher - Prestin Strack Cullmann Zimmermann - Okudera Schuster Neumann - Littbarski Müller Woodcock. Wie gesagt, eine Topmannschaft war das. Die 60er hatten nun auch eine brauchbare Truppe. Thomas Zander im
Tor(der hatte die Kölner bei deren 2:1 Erfolg im Hinspiel unter anderem mit 2 gehaltenen Elfern zur Weissglut gebracht). Der ehemalige Kölner und Bayern Spieler Kapellmann. Wohlers und Bitz waren auch seinerzeit richtige
Grössen in der Liga. Wer fehlte, das war Heinz Flohe. Heinz Flohe würde nicht nur in diesem Spiel fehlen, sondern nie mehr einen Fussballplatz als Aktiver betreten. Seine Karriere war beendet - die Folgen eines schweren
Foulspiels von Paul Steiner im 6oer Spiel gegen Duisburg. Ich muss sagen, daß das sowohl meinen Vater als auch mich bedrückte. Natürlich war die Aktualität wichtig, aber Heinz Flohe hatte uns so lange begleitet und begeistert -
oder besser gesagt: wir hatten ihn begleitet und er uns begeistert.
Das Spiel begann und bereits nach 10 Minuten hatte Hennes Weisweiler "den Kaffee auf". München Kampfstark und energisch, der FC - im Bewusstsein der Überlegenheit - pomadig und arrogant. Völlig unnötige Ballverluste,
Tempoverschleppung und Weisweilers unnachahmliche Reibeisenstimme hörte man über den ganzen Platz, als er Herbert Neumann ob eines verlorenen Zweikampfes zusammen stauchte. Das Kölner Spiel litt vor allem darunter,
daß Kapellmann - bester Spieler auf dem Platz - Anthony Woodcock als rechter Verteidiger nicht nur aus dem Spiel nahm, sondern selber immer wieder initiativ wurde und Überzahlsituationen herstellte. Aus so einer Aktion
entsprang dann auch das 1:0 nach etwas über einer halben Stunde. Ballgewinn Kapellmann - Zack,Zack nach vorne. Ball auf den emsigen Bitz und Toni Schumacher konnte nur noch dumm schauen. 1:0 für 60 und das war auch
verdient. Der FC hatte dann zwei Chancen durch den aufgerückten Cullmann und Müller, aber Zander parierte. Und Köln hatte Riesendusel, als Prestin im Strafraum Foul spielt, aber der Schiedsrichter keinen Elfer pfeift.
Halbzeit - und mein Vater und ich sind doch etwas ernüchtert. Das war viel zu wenig. Das hoch gelobte Mittelfeld spielt zu langsam, in der Abwehr gibt es Probleme zuhauf. Vorne ist Woodcock abgemeldet, Littbarski zu
verspielt und Müller als einziger gefährlich. In der zweiten Halbzeit ändert sich das Spiel. Köln spielt jetzt wesentlich schneller und - vor allem - wesentlich engagierter. Woodcock sieht zwar immer noch kein Land gegen den
starken Kapellmann, aber Zimmermann hält dessen Vorstösse jetzt energisch klein. Schuster, Neumann und Okudera dominieren das Mittelfeld und letzterer macht dann in Minute 68 auch den mittlerweile sehr verdienten Aus-
gleich. In der Schlussphase schafft 60 es irgendwie mit viel Kampf, viel Glück und einem sehr guten Torwart das 1:1 zu halten. Schade, wir haben es irgendwie in Halbzeit 1 zu langsam angefangen - hier war mehr drin.
Nach dem Schlusspfiff fahren Vater und sein Sohn in die Münchener Innenstadt. Hotel hat dankenswerterweise mein alter Herr gebucht und wir gehen in den Augustiner. Tolles Abendessen, reichlich Bier und als echte Rhein-
länder kommen wir mit den Einheimischen gut ins Gespräch. Thema Nummer 1 ist natürlich Fussball und da wird gerade der Fall Heinz Flohe tief diskutiert. 20 Monate ist es erst her, als Flohe der grosse Mann in Köln ist, der
als Kapitän das Double erreicht hat und jetzt spielt er nicht nur nicht mehr beim FC, sondern er kann gar nicht mehr spielen. Das tut weh und es zeigt mir schon damals die unerbittliche Wahrheit und Härte des Profifussballs.
Heute bist du ganz oben und - du hast dich einmal umgedreht - da ist der Zug der Realität schon mit aller Gewalt über dich hinweg gefahren.