Die AfD - so kritisch wie ich ihr gegenüber stehe - ist ein Phänomen. Ein Massenphänomen und daran kann es gar keinen Zweifel mehr geben. Eine Partei, die bei der letzten Bundestagswahl fast 5,9 Millionen Stimmen erhalten
hat und - falls jetzt Bundestagswahl wäre - wohl mit mehr als 7 Millionen Stimmen rechnen dürfte, die darf wohl behaupten, daß sie in der politischen Landschaft angekommen ist. Das mag mir passen oder auch nicht, das mag
anderen passen oder auch nicht - es ist so.
Das gleiche gilt in abgeschwächter Form für die anderen Radikalen dieser Republik, die Linke. 4,3 Millionen (Zweit)stimmen waren es 2017. Vielleicht heute etwas schwächer, vielleicht etwas stärker - aber gleichgültig:
etabliert und in der politischen Landschaft angekommen. Auch das passt mir nicht , aber so what?!
Wir sehen uns also - gerade diejenigen die sich in der Mitte der Gesellschaft wähnen - einem vor Jahren völlig unbekannten Phänomen gegenüber. Wäre heute Bundestagswahl, dann stünden wohl mehr als 11 Millionen Wähler bei
Parteien, die - um es mal salopp zu formulieren - diesen Staat nicht unbedingt lieben. Dieses unbekannte Phänomen löst Unbehagen aus, quer durch alle Gesellschaftsschichten und Strukturen. Und der Ton wird ob der allgemein
spürbaren Verwerfungen rauher. Und es gibt keinen Zweifel daran, daß auch und gerade die politischen Verwerfungen gerade im Osten der Republik ganz deutlich schärfer sind - denn nirgendwo ist der Anteil der obigen 11
Millionen Wähler höher als in Thüringen und Sachsen. Im Westen - meistens hinter vorgehaltener Hand - wird über das Wahlverhalten der Ossis mehr als geraunt. Der Strich durch die Gesellschaft ist auch ein Strich Ost/West und
er ist auch nicht mehr von der Politik zu leugnen(wie es bis vor einiger Zeit noch en vogue war).
Die Meinungen gerade über die AfD gehen weit auseinander, auch in diesem Forum, in diesem Thread. Nein, das ist falsch - ich korrigiere. Die grosse Mehrheit steht der AfD kritisch gegenüber, aber viele haben Verständnis für das
Entstehen der AfD. Allgemeine Politikverdrossenheit, Migrationsprobleme, etc. werden recht häufig als Grund für das Entstehen und vor allem Erstarken der AfD angesehen. Die hartleibigen Kritiker der AfD - und das kann man
recht solide in der Diskussion hier verfolgen - machen einen gewaltigen Fehler: sie bauen keine Brücke für die Wähler und Angehörigen der AfD und wer keine Brücken baut oder sie offen lässt - der reisst sie ein. Ich denke nicht
an die Brücken für Leute von der Coleur eines Björn Höcke, sondern an die Brücken für die Sympathisanten und Anhänger der AfD bei denen man förmlich spürt, daß sie nicht in diese Bewegung gehören. Ihnen und das habe ich
weiter oben geschrieben, muss man auf der einen Seite abverlangen, daß sie sich von Höcke und Konsorten distanzieren, sie aus der Partei heraus zu bekommen, das Programm der AfD zu glätten. Oder sie müssen aus der Partei
selber hinaus gehen um klar und deutlich zu machen, daß sie eben mit dem braunen Pack nichts zu tun haben. Aber dann muss ich diesen Leuten auch eine politische Heimat anbieten und zwar ehrlichen Herzens. Angebote
formulieren, die eine ALTERNATIVE zur so genannten Alternative für Deutschland darstellen. Eine grundsätzliche Abwertung von Menschen, die bei der AfD Kreuz gemacht haben - die ist falsch und die ist auch in tiefstem Sinne
Unchristlich.
Und sicherlich ist es anmassend so zu tun, als wenn man denn alleine die Weisheit gepachtet hat. Demut steht einem auch mal gut, Arroganz hat sich selten ausgezahlt. Die Leute merken sich das und letzten Endes malen sie nur
noch intensiver ihr Kreuz an der - jedenfalls für mich - falschen Stelle. Und keiner, der geschickter argumentiert, soll sich auch nur für einen Moment einbilden, daß er die Herzen der Menschen damit gewinnen kann. Und auch
nicht ihre Stimmen. Argumentieren und diskutieren und dann den anderen vorführen, gegebenenfalls lächerlich machen - das ist Kunst um der Kunst willen(das ist dafür auch noch das Wort Kunst benutzen muss, aber mir fällt
nichts Anderes ein). Letzten Endes brotlose Kunst.