Der Politik-Thread

  • Corona wäre ein gutes Argument (von mir aus auch eine gute Ausrede) gewesen, den Besuch bei einem breitbeinigen Diktator einfach bleiben zu lassen. Selbst ohne den protokollarischen Affront führt sich die EU quasi selber vor; in dem Punkt hat Cem Özdemir absolut recht. Man kann auch unterhalb solcher Besuche Diplomatie betreiben.

  • Schöner Beitrag, den ich im Grunde so unterschreiben kann. Das Stichwort heißt Diplomatie, die man selbst bei den schlimmsten Schurkenstaaten nie ganz auf Eis legen kann und sollte. Denn nur durch Diplomatie, gerne unterstützt durch wirtschaftliche Deals oder auch Sanktionen, kann man dort überhaupt etwas bewirken, ohne gleich einzumarschieren.


    Extremes Hardlinertum mag zwar auf dem Papier nett aussehen und einen gewissen Trotz befriedigen, letztlich verhält man sich damit aber nur wie das kritisierte Gegenüber. Wir sind auf die Türkei zu einem gewissen Grad angewiesen und können es uns nicht erlauben, Erdogan gänzlich zu vergrätzen. So sehr einem das auch widerstreben mag. Und wie du schon sagst, sind wir ja auch Bündnispartner in der NATO und die Türkei verfügt über eine nicht zu unterschätzende militärische Stärke. Insofern muss man da wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und sich zu einem Mindestmaß mit diesem Möchtegern-Diktator arrangieren. Das heißt im Übrigen nicht, dass man keinen Druck aufbauen und keine Kritik üben kann.


    Wenn man dafür zwischendurch mal einen Anstandsbesuch ableisten muss, dann ist das eben so. Wenn er sich dann vor Ort derart respektlos beträgt, steht das wieder auf einem anderen Blatt, aber das Thema hatten wir ja schon.

    Das ist geschichtlich gesehen, eine supergefährliche Einstellung.
    Weder extremes Hardlining noch Diplomatie um jeden Preis sind wirklich sinnvoll.
    Denn Diplomatie hat eben bei wirklichen Schurkenstaaten noch nie gewirkt.


    Was wirkt ist aber ebenso fraglich. Gerade aus der neueren Zeit hat sich doch gezeigt, wirtschaftliche Massnahmen
    (siehe Boykott USA / Iran), oder noch massiver Nordkorea wirken nicht, sondern sind überaus gefährlich. Denn diese
    Länder streben dann nach atomaren Waffen.
    Und übrigens, Diplomatie hat Hitler nur befeuert in seinem Wahn.
    Die israelische Methode der Präventivschläge ist da wohl wirksamer. Aber ganz gewiss auch nicht
    der Weisheit letzter Schluss.
    Was letztlich zum Erfolg führt, ich weiß es nicht.
    Die vollkommene Unfähige EU wird die Sache nur verschlimmern, wie immer wo sie ihren Rüssel reinhängt.
    Aber eines ist ganz sicher, willst Du den Frieden, so rüste für den Krieg.
    Traurig, aber wahr.

    Yet the poor fellows think they are safe! They think that the war – perhaps the last of all – is over! / Only the dead are safe; only the dead have seen the end of war.

    George Santayana

    Soliloquies

  • Corona wäre ein gutes Argument (von mir aus auch eine gute Ausrede) gewesen, den Besuch bei einem breitbeinigen Diktator einfach bleiben zu lassen.

    Corona ist nicht mal ein gutes Argument, (inter-)nationale Fußballspiele bleiben zu lassen :slightly_smiling_face:

    Und übrigens, Diplomatie hat Hitler nur befeuert in seinem Wahn.

    Erdogan ist kein Hitler, auch wenn er gerne als Erdolf bezeichnet wird. So sehr er sich auch immer wieder öffentlichkeitswirksam als starker Macker präsentiert, weiß er nur zu gut, wie wichtig ein zumindest einigermaßen funktionierendes Verhältnis zur EU für sein Land ist - auch einen Beitritt wird er nicht vollends abgeschrieben haben, wenn der auch realistisch betrachtet utopisch ist. Dementsprechend wird auch er niemals die Brücke völlig zerschlagen. Wie bescheiden es um sein Land steht, weiß er aller Propaganda zum Trotz nämlich sehr genau.


    Ich bin bei dir, dass Diplomatie sicher nicht die Lösung allen Übels ist, aber sie ist zunächst einmal das Fundament, auf dem man sich international begegnet. Wir pflegen wirtschaftliche Beziehungen zur Türkei, von denen wir ebenso profitieren. Auch der Flüchtlings-Deal ist für Europa ungemein wichtig, auch wenn er den wenigsten gefällt. Was aber passiert, wenn Erdogan die Schleusen öffnet, wollen die meisten noch viel weniger. Insofern muss man sich mit dem Mann auf einer gewissen Ebene nun einmal befassen, ob man das nun toll findet oder nicht. Sich hinzustellen und zu sagen, du tanzt jetzt gefälligst nach unserer Pfeife wird mit so jemandem jedenfalls nicht funktionieren. Die Blöße kann er sich nicht geben, also müsste er entsprechend zum "Angriff" übergehen. Die Option wäre für alle Beteiligten die wohl beschissendste, also lässt man sich gewisse Dinge eben gefallen. Auch das ist leider politischer Alltag. Wenn man dadurch sein Ziel erreicht, nimmt man es im Zweifel auch hin, öffentlich als der Schwächere zu erscheinen.


    Ich bitte im Übrigen darum, das alles nicht als Verteidigung der EU oder Frau von der Leyen im Speziellen zu verstehen. Ich spreche hier ganz allgemein. Die Frau sollte nicht in einer der mächtigsten Positionen Europas sondern viel mehr in einem Untersuchungsausschuss oder auf einer Anklagebank sitzen. Aber das ist ein anderes Thema.

    MattEagle‘s Kumpel: „Jedes Mal, wenn ich vom Klo komme, stehen 70 Kölsch auf dem Tisch!“

  • Was möchtest Du denn aussagen? Außer dass die EU absolut unfähig ist, Deiner Meinung nach.
    Du schreibst, Klebes Einstellung wäre geschichtlich gesehen supergefährlich- was soll das bedeuten? Die Geschichte hat meiner Meinung nach gezeigt, dass sämtliche Extreme supergefährlich sind.
    Hitlers Machtstreben wurde mit Sicherheit nicht nur durch Diplomatie befeuert, sondern durch Ignoranz- im Inneren wie der Welt. Man hat ihn zu lange als Trottel abgestempelt und einfach machen lassen. Gerade das spricht ja eher dafür, weiter den Austausch mit Erdogan zu suchen.


    So eine richtige Aussage entnehme ich Deinem Beitrag nicht, außer dass Du auch nicht weißt was richtig ist, aber Klebes Meinung supergefährlich ist. Hm.

  • Was letztlich zum Erfolg führt, ich weiß es nicht.
    Die vollkommene Unfähige EU wird die Sache nur verschlimmern, wie immer wo sie ihren Rüssel reinhängt.

    DIe 2 Sätze bleiben bei mir am meisten hängen. Heißt für mich soviel wie "Es gibt verschiedene Methoden, welche richtig und welche falsch sind weiß ich nicht aber das die EU unfähig ist das weiß ich." ergibt irgendwie keinen Sinn.

  • Die Unfähigkeit der EU zeigt sich schon bei der Flüchtlingsfrage. Es wäre überhaupt kein Problem ein paar Millionen Flüchtlinge einwohnergewichtet (oder BSP-gewichtet) auf ein Gebiet mit 450 Millionen Einwohnern zu verteilen (und ohne dass man befürchten müsste die halbe Welt aufnehmen zu müssen; das sind immer nur vorgeschobene Gründe). Dann bräuchte man aber auch keine Angst vor dem Öffnen von Schleusen haben. Es gibt KEINEN Grund sich Erdogan andienen zu müssen, wenn, dann ist das (in bezug auf die Flüchtlinge) hausgemacht. Diesen Mißstand könnte man zuerst intern regeln, dafür muss man nicht an den Bosporus reisen.

  • Es wäre überhaupt kein Problem ein paar Millionen Flüchtlinge einwohnergewichtet (oder BSP-gewichtet) auf ein Gebiet mit 450 Millionen Einwohnern zu verteilen

    Ach, das ist kein Problem? Bei uns streiken doch schon die Politiker, wenn ein paar hundert Kinder aus verwahrlosten Zeltlagern in Griechenland aufgenommen werden sollen. Und wir sind noch ein eher freundlich gesinntes Land. Einige Mitgliedstaaten blockieren seit Jahren die verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen anhand irgendwelcher Vorgaben.


    Nenne mir bitte mal deine problemlose Lösung für dieses Gehabe.

    MattEagle‘s Kumpel: „Jedes Mal, wenn ich vom Klo komme, stehen 70 Kölsch auf dem Tisch!“

  • Ach, das ist kein Problem? Bei uns streiken doch schon die Politiker, wenn ein paar hundert Kinder aus verwahrlosten Zeltlagern in Griechenland aufgenommen werden sollen. Und wir sind noch ein eher freundlich gesinntes Land. Einige Mitgliedstaaten blockieren seit Jahren die verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen anhand irgendwelcher Vorgaben.
    Nenne mir bitte mal deine problemlose Lösung für dieses Gehabe.

    Natürlich stellen sich die Politiker an. Aber die EU gehört zu den reichsten Regionen der Erde. Da ist sowas möglich, wenn man das will. Gerade D hat es lange abgelehnt sich an einer Verteilung zu beteiligen. Die haben I regelmäßig erzählt (lange vor dem Syrien-Konflikt), die Leute in Lampedusa sind Euer Problem. Wenn ich stets so weitermache löse ich das Problem bestimmt nicht. Zusammenraufen und eine Lösung finden, dann muss ich auch nicht in Istanbul betteln. Bei 10 Millionen Flüchtlingen (nur als Bsp.) bekäme D (nach Einwohnergewichtung) etwa 18% der Flüchtlinge, also 1,8 Millionen. In D gibt es etwa 12.000 Kommunen, also etwa 150 Leute (und da ist jetzt jedes Dorf dabei, die kann man ja nochmal einwohnergewichtet verteilen). Und das soll ein Problem sein? Da macht man eins draus, aber es ist keines. Außerdem ist doch überhaupt nicht gesagt, dass die alle hier bleiben wollen. Viele werden auch zurück wollen, wenn sich die Verhältnisse in ihrer Heimat gebessert haben. Das "Flüchtlingsproblem" mit der Türkei ist jedenfalls hausgemacht.
    (Das D-Bsp. gilt natürlich adäquat für alle anderen EU-Staaten).

    Einmal editiert, zuletzt von Dr. Mabuse ()

  • Zusammenraufen und eine Lösung finden, dann muss ich auch nicht in Istanbul betteln.

    Wenn das deine einfache Lösung ist, finde ich das ziemlich naiv. Du wirst die EU-Mitgliedstaaten nie dazu bringen sich zusammenzuraufen, wenn es um die verpflichtende Aufnahme von Geflüchteten geht. Gerade rechtskonservative Regierungen werden sich da immer komplett quer stellen. Ganz so, wie es auch schon seit Jahren der Fall ist. Ich sehe ehrlich gesagt nicht, was daran etwas ändern sollte. Ich glaube nicht, dass jemand wie Orbán sich groß dafür interessiert, wenn die EU bei Erdogan "betteln geht". Der sagte wörtlich: "In der Frage, wer in Ungarn leben darf, ist Merkel nicht zuständig".


    Und Ungarn ist sicher nicht das einzige Problem. Diverse Staaten werden alles dafür tun, eine solche Pflicht zu vermeiden. Da drehen wir uns ewig im Kreis. Im Kern stimme ich quasi allem zu, was du schreibst. Aber es wird an der Umsetzung leider scheitern.

    MattEagle‘s Kumpel: „Jedes Mal, wenn ich vom Klo komme, stehen 70 Kölsch auf dem Tisch!“

  • @LinkeKlebe


    Sehe ich ähnlich, hier wird ein Treffen kritisiert, das basierend auf einer im Konjunktiv vorgeschlagenen Lösung (Sollte möglich sein, müsste man nur tun,...) obsolet werden würde.
    Das kann nicht funktionieren, das eine ist reale Welt, das andere Wunschdenken.

  • Wenn das deine einfache Lösung ist, finde ich das ziemlich naiv. Du wirst die EU-Mitgliedstaaten nie dazu bringen sich zusammenzuraufen, wenn es um die verpflichtende Aufnahme von Geflüchteten geht. Gerade rechtskonservative Regierungen werden sich da immer komplett quer stellen. Ganz so, wie es auch schon seit Jahren der Fall ist. Ich sehe ehrlich gesagt nicht, was daran etwas ändern sollte. Ich glaube nicht, dass jemand wie Orbán sich groß dafür interessiert, wenn die EU bei Erdogan "betteln geht". Der sagte wörtlich: "In der Frage, wer in Ungarn leben darf, ist Merkel nicht zuständig".
    Und Ungarn ist sicher nicht das einzige Problem. Diverse Staaten werden alles dafür tun, eine solche Pflicht zu vermeiden. Da drehen wir uns ewig im Kreis. Im Kern stimme ich quasi allem zu, was du schreibst. Aber es wird an der Umsetzung leider scheitern.

    Ich stimme Dir da auch absolut zu. Nur ist das hausgemacht, man könnte das lösen, wenn man wollte. Und was Herrn Orban angeht, mit dem dicken (Förder)Geldbeutel der EU (bzw. dem Entzug deselben) könnte auch der dazu bewegt werden etwas nachzudenken. Gleiches gilt natürlich für Polen et al.. Deshalb meinte ich, intern an diesen Lösungen arbeiten und nicht mit Erdogan dealen.

    In mancher Ortschaft in Sachsen oder Thüringen sind 150 (oder auch weniger) Flüchtlinge sicher auch gar kein Problem für den inneren Frieden.

    Deswegen schrieb ich "nochmals einwohnergewichtet". D.h. bei sehr kleinen Ortschaften wäre das etwa eine Familie oder so. In Köln sind es natürlich entsprechend mehr. Das war ja auch nur ein Beispiel. Z. Zt. ist es ja so, dass in D deutlich mehr Flüchtlinge aufgenommen wurden mit entsprechend größeren Problemen. Würde man die auf die gesamte EU verteilen wären die Probleme kleiner oder gar nicht erst vorhanden und Erdogan könnte die Flüchtlinge nicht als Drohpotential verwenden, was ich als besonders eklig empfinde.


    Die mangelnde Weitsicht von nationalen Alleingängen in solchen wichtigen Fragen führt eben zu solchen Problemen. Jahrelang hat auch D seine Augen verschlossen vor den Leuten die in Spanien, Italien und Griechenland immer wieder anlandeten. Es wäre an der Zeit hier eine europäische Lösung zu finden. Die EU muss weg von ihrem molochartigen Gebaren (nicht nur in der Flüchtlingsfrage). Erdogan als Schutzschild ist in jedem Fall die schlechteste Lösung, bzw. ist gar keine Lösung.

  • Deswegen schrieb ich "nochmals einwohnergewichtet". D.h. bei sehr kleinen Ortschaften wäre das etwa eine Familie oder so.

    Deswegen schrieb ich "oder weniger" das hab ich schon verstanden. Tatsächlich gibt es in Deutschland Ortschaften in denen man besser gar keine Flüchtlinge unterbringt und das aus gutem Grund, da scheitert der "wir verteilen mal alle per Schlüßel auf alle Ortschaften" Plan schon mal bzw. muss schon wieder eingeschränkt werden.

    Ich stimme Dir da auch absolut zu. Nur ist das hausgemacht, man könnte das lösen, wenn man wollte. Und was Herrn Orban angeht, mit dem dicken (Förder)Geldbeutel der EU (bzw. dem Entzug deselben) könnte auch der dazu bewegt werden etwas nachzudenken. Gleiches gilt natürlich für Polen et al.. Deshalb meinte ich, intern an diesen Lösungen arbeiten und nicht mit Erdogan dealen.

    Könnte man eben nicht. Der Geldfluss beruhrt auf rechtlichen Vereinbarungen und kann nur dann gestoppt werden wenn diese gebrochen werden. Solange Fördertöpfe nicht an die Aufnahme von Flüchtlingen gekoppelt sind kannst du auch Förderung nicht stoppen mit dieser Begründung. Das wäre rechtlich nicht haltbar. Wildwest wie es einem beliebt die Geldhähne dicht drehen um Druck auszuüben funktioniert nicht so einfach.

  • Da mir so etwas selten Ruhe lässt, habe ich heute im Unternehmen gleich mal die Probe auf das Exempel gemacht. Wie vielleicht bekannt, haben wir eine ganze Reihe von türkischen Kollegen im Unternehmen. Mit neun von ihnen konnte ich über Teile der gestrigen Diskussion sprechen. Die Ergebnisse teile ich gerne:


    - die Kritik am Ausdruck " Türke" konnte keiner verstehen. Ist genauso wie ich das vermutete: " Türke" ist genau wie "Deutscher", wie "Engländer", wie "Amerikaner", etc.
    - mein Ausdruck " aus der Kloschüssel saufen" wurde nicht positiv aufgenommen. Ich solle das bitte auf Erdogan beschränken(was ich gestern übrigens im zweiten Beitrag getan habe)
    - Ihr Deutschen(sic!) sind viel zu weich gegenüber Erdogan. Sagen alle - Erdogan Anhänger(3) und Nicht Erdogan Anhänger(6). Die sagen immer "Ihr Deutschen", weil sie der Meinung sind, daß die Deutschen halt die treibende Kraft in Europa sind. Richtigerweise müsste es wohl heissen "die Europäer.
    - Interessant ist folgende Sichtweise: "Was beklagt ihr euch eigentlich über die türkische und Erdogan Gangart?! Wenn ihr damit nicht einverstanden seid, dann tut doch was dagegen und sprecht und handelt Klartext. Da wird sowieso nur eine Sprache verstanden!" (das sagen übereinstimmend die Erdogan Anhänger und die Nichtanhänger von Erdogan).


    Kleine Zwischengeschichte: Seit 2010 machte unser Unternehmen mit türkischen Partnern Geschäfte. Zunächst aus Italien, aber da die weder die gewünschten Mengen noch die Qualitäten liefern konnten, wurde das auf die deutschen Produktionsunternehmen delegiert. Wir hatten keinen direkten Zugang zum Markt, alles ging über windige Agenten - ein Graus. Irgendwann haben wir entschieden, daß wir das nicht mehr machen. Nur Verluste. OK. 2014 meldete sich dann eines der Unternehmen - man wolle direkt von uns kaufen. Ich mit dem Vertriebschef ins Flugzeug, Treffen in Istanbul. Wir kommen in deren Firmenzentrale, 12 Uhr Termin. Um 13 Uhr sitzen wir immer noch im "Warteraum" und dann habe ich gesagt, daß wir gehen. Habe an der Rezeption einen handgeschriebenen Zettel hinter lassen, daß wir gerne bereit sind, die Herren in unserem Hotel ab 17 Uhr zu empfangen, falls Bedarf besteht. Eine halbe Stunde später klingelt das Telefon und man wolle uns doch unbedingt sehen. Wir sollen doch noch heute vorbei kommen. Sind wir da hingegangen?! Natürlich nicht. Um 17 Uhr sind die Herren im Pera Palace aufgeschlagen und wir hatten ein ganz entspanntes Meeting und sind uns zügig einig geworden. Von da an lief alles top, Umsätze per anno 3 Millionen, 5 Millionen, 7 Millionen. 2017 kann man seitens des türkischen Unternehmens(Besitzerwechsel) auf die Idee, nicht mehr ganz den Vereinbarungen entsprechend zu zahlen. Wir haben gesagt, daß wir das nicht akzeptieren. Drei Monate lief wieder alles sauber, dann fingen die Zicken wieder an. Bei der nächsten Verhandlungsrunde haben wir gesagt: "Wir liefern nicht mehr. Punkt".....Haben wir durch gezogen. Sechs Monate später - wir liefern wieder. Zahlungsweise: 80 % vor Lieferung, 20 % 30 Tage nach Lieferung. Aussage des türkischen Partners: " Eure Konsequenz und Härte hat uns genauso imponiert wie eure Produkte"......Kein Zweifel, die werden es wieder probieren, auf eine andere Art. Aber du musst eine Linie haben, dann wirst du respektiert.


    Erdogan ist ein Drecksack. Ich sage das voller Überzeugung. Der Mann geht buchstäblich über Leichen. Solchen Typen gibt man keinen Zentimeter Raum, keine Bühne. Das hat nichts mit Schwanz vergleichen zu tun, das ist man sich schuldig als Demokrat. Jenseits aller wirtschaftlichen Interessen. Von solchen Typen lässt man sich nicht vorführen. Ich kenne alle diese Geschichten - NATO und Flüchtlingspolitik und Blablabla. Fakt bleibt unter dem Strich, daß die Türkei den Westen mehr braucht als umgekehrt. Und aus dieser Position muss man etwas machen. Dazu muss aber der Wille vorhanden sein. Der Wille zur Stärke und zu einer konsistenten und stimmigen Haltung. Das imponiert in der Türkei. Und letzten Endes ist es die einzige Sprache, die Erdogan versteht. Es kann niemals ein Appeasement gegenüber Potentaten wie Erdogan geben.


    Nochmal: Die Türkei braucht den Westen. Wirtschaftlich und finanziell. Diese Position zu nutzen(nicht zwingend auszunutzen), das ist erforderlich. Aber immer aus der Position der starken und klaren Haltung. Nur so kommst du gegen Erdogan auf - es geht nicht anders. Und - sorry - da fährt man eben nicht nach Istanbul und lässt sich da lächerlich machen. Denn das ist es, was meine türkischen Kollegen sagten: "Die Frau von der Leyen hat sich vorführen lassen". Und man möge sich nicht täuschen - das bleibt hängen. Bei Erdogan ohnehin, aber auch in der türkischen Bevölkerung. Ein schlechter Dienst war das, was die Vertreterin der EU der Union erwiesen hat. Vorhersehbar schlecht.

    Lettore silenzioso

  • Könnte man eben nicht. Der Geldfluss beruhrt auf rechtlichen Vereinbarungen und kann nur dann gestoppt werden wenn diese gebrochen werden. Solange Fördertöpfe nicht an die Aufnahme von Flüchtlingen gekoppelt sind kannst du auch Förderung nicht stoppen mit dieser Begründung. Das wäre rechtlich nicht haltbar. Wildwest wie es einem beliebt die Geldhähne dicht drehen um Druck auszuüben funktioniert nicht so einfach.

    Das funktioniert genau dann, wenn die Geberländer das wollen. Wenn man das ändern will, kann man das ändern. Keiner schreibt dem EU-Parlament und/oder dem Ministerrat vor, das Gesetzesgrundlagen nicht geändert werden können (auch und insbesondere hinsichtlich der Zustimmungspflicht aller Mitgliedsstaaten).

  • Das funktioniert genau dann, wenn die Geberländer das wollen. Wenn man das ändern will, kann man das ändern. Keiner schreibt dem EU-Parlament und/oder dem Ministerrat vor, das Gesetzesgrundlagen nicht geändert werden können (auch und insbesondere hinsichtlich der Zustimmungspflicht aller Mitgliedsstaaten).

    zum einen kannst du nicht den Bestandsschutz geltender Abkommen einfach aushebeln wie du gerade lustig bist zum anderen öffnest du der willkürlichen Kopplung von sinnlosen Bedingungen an Förderprogramme damit Tür und Tor

  • - die Kritik am Ausdruck " Türke" konnte keiner verstehen. Ist genauso wie ich das vermutete: " Türke" ist genau wie "Deutscher", wie "Engländer", wie "Amerikaner", etc.

    Und was hat das mit der Diskussion zu tun? Du hast gestern Erdogan explizit angesprochen, also habe ich Dich gebeten, das auch kenntlich zu machen.
    Mit dem stattdessen verwendeten "die Türken" setzt Du Erdogan mit dem ganzen Land gleich. Das war unnötig, und deshalb habe ich das entsprechend kommentiert. Denn vermutlich willst Du Deine Arbeitskollegen nicht in Brüssel betteln sehen, sondern nur Erdogan. Was Dein Umfeld von irgendwelchen Bezeichnungen hält, ist daher für die Diskussion nicht relevant.


    Zitat von Listlos

    Ich kenne alle diese Geschichten - NATO und Flüchtlingspolitik und Blablabla.

    Wenn das die Art ist, wie Du politisches Weltgeschehen gern diskutieren möchtest, mach das bitte ohne mich.


    Zitat von Listlos

    Denn das ist es, was meine türkischen Kollegen sagten: "Die Frau von der Leyen hat sich vorführen lassen". Und man möge sich nicht täuschen - das bleibt hängen.

    Na wenn es Deine Kollegen sagen, wird es so sein.


    Zitat von Listlos

    Kleine Zwischengeschichte: Seit 2010 machte unser Unternehmen mit türkischen Partnern Geschäfte. Zunächst aus Italien, aber da die weder die gewünschten Mengen noch die Qualitäten liefern konnten, wurde das auf die deutschen Produktionsunternehmen delegiert. Wir hatten keinen direkten Zugang zum Markt, alles ging über windige Agenten - ein Graus. Irgendwann haben wir entschieden, daß wir das nicht mehr machen. Nur Verluste. OK. 2014 meldete sich dann eines der Unternehmen - man wolle direkt von uns kaufen. Ich mit dem Vertriebschef ins Flugzeug, Treffen in Istanbul. Wir kommen in deren Firmenzentrale, 12 Uhr Termin. Um 13 Uhr sitzen wir immer noch im "Warteraum" und dann habe ich gesagt, daß wir gehen. Habe an der Rezeption einen handgeschriebenen Zettel hinter lassen, daß wir gerne bereit sind, die Herren in unserem Hotel ab 17 Uhr zu empfangen, falls Bedarf besteht. Eine halbe Stunde später klingelt das Telefon und man wolle uns doch unbedingt sehen. Wir sollen doch noch heute vorbei kommen. Sind wir da hingegangen?! Natürlich nicht. Um 17 Uhr sind die Herren im Pera Palace aufgeschlagen und wir hatten ein ganz entspanntes Meeting und sind uns zügig einig geworden. Von da an lief alles top, Umsätze per anno 3 Millionen, 5 Millionen, 7 Millionen. 2017 kann man seitens des türkischen Unternehmens(Besitzerwechsel) auf die Idee, nicht mehr ganz den Vereinbarungen entsprechend zu zahlen. Wir haben gesagt, daß wir das nicht akzeptieren. Drei Monate lief wieder alles sauber, dann fingen die Zicken wieder an. Bei der nächsten Verhandlungsrunde haben wir gesagt: "Wir liefern nicht mehr. Punkt".....Haben wir durch gezogen. Sechs Monate später - wir liefern wieder. Zahlungsweise: 80 % vor Lieferung, 20 % 30 Tage nach Lieferung. Aussage des türkischen Partners: " Eure Konsequenz und Härte hat uns genauso imponiert wie eure Produkte"......Kein Zweifel, die werden es wieder probieren, auf eine andere Art. Aber du musst eine Linie haben, dann wirst du respektiert.

    Da schwanke ich zwischen "Aha" und "toll".
    Das Einhalten/Nichteinhaltung von vertraglich vereinbarten Zahlungen mit dem komplexen weltpolitischen Sachverhalt EU<>Türkei zu vergleichen, bzw. damit eine Analogie ins Feld zu führen- ich weiß ja nicht.
    Zur Substanz Deiner Geschichten und Kollegen, die Du dann immer auspackst um Deine Ansicht zu untermauern halte ich mal bedeckt.


    Belassen wir es dabei, Du musst mich nicht überzeugen dass Erdogan kein netter Mensch ist, dazu habe ich Dir bereits zugestimmt. Beim Rest, gerade den Abhängigkeiten untereinander, malst Du Dir die Welt zu bunt. Zumindest meiner Meinung nach. Man hat eine gute Verhandlungsposition nicht, weil man das nun mal gerade ganz doll will. Und wenn man die nicht hat, ist egal was Deine Kollegen sagen, dann musst Du ab und zu mal in den sauren Apfel beißen.

  • Nur ist das hausgemacht, man könnte das lösen, wenn man wollte. Und was Herrn Orban angeht, mit dem dicken (Förder)Geldbeutel der EU (bzw. dem Entzug deselben) könnte auch der dazu bewegt werden etwas nachzudenken.

    Richtig, man muss wollen. Und das ist halt nicht gegeben. Und wie Coby schon sagt: Du hast keine Handhabe, einzelnen Mitgliedern willkürlich die Fördergelder zusammenzustreichen. Entsprechende Gesetze, die zum Beispiel fehlende Rechtstaatlichkeit als Grund für Kürzungen von Fördergeldern vorsehen, werden von genau den Ländern blockiert, die besagte Rechtstaatlichkeit vermissen lassen. Gleiches Spiel hast du an vielen anderen Stellen, z.B. auch bei der Festlegung verbindlicher Quoten für die Verteilung Geflüchteter.


    Einfach machen klingt zwar schön, ist aber offensichtlich nun einmal sehr realitätsfern.

    MattEagle‘s Kumpel: „Jedes Mal, wenn ich vom Klo komme, stehen 70 Kölsch auf dem Tisch!“