Ich kann diese Empörung und dieses zynische Kritisieren hier gerade nicht ganz nachvollziehen, für manche scheint Flick - nach Löw und all den anderen Vorgängern - der nächste Antichrist zu sein, der weg weg weg muss. Egal wer kommt, Hauptsache weg. Das ist doch blinder Aktionismus.
Das beschreibt aber auch ein wenig die Art und Weise, wie Länderspiele mittlerweile betrachtet werden. Als ein Anspruch auf Unterhaltung und Erfolg.
Da haben wir User, die bis auf 3 WM Spiele nach eigenen Aussagen nichts gesehen haben von der Mannschaft. Die schwingen sich jetzt hier zum großen Kritiker auf, fluten das Forum inflationär mit Analysen noch und nöcher, und bewerten eine ganze Amtszeit eines Trainers anhand von 3 (von 19) Spielen. Grandios.
Nicht falsch verstehen, diese 3 Spiele waren definitiv die wichtigsten der Ägide Flick bisher, aber dieses Selbstverständnis und die Diskrepanz zwischen "schaue ich mir eh nicht an" und dem permanenten Draufhauen - wo man nachträglich natürlich genau weiß was falsch läuft seit Jahren - ist schon befremdlich.
Flick muss sich natürlich Kritik gefallen lassen, aber schauen wir uns mal die Zahlen an:
- Vereinstrainer: 86 Spiele, 2,53 Punkte pro Spiel, insgesamt 70 Siege, 8 Niederlagen, dabei Meister, CL Sieger, FIFA Clubweltmeister, UEFA Supercup Sieger
- Nationaltrainer: 19 Spiele, 2,05 Punkte pro Spiel, insgesamt 12 Siege, 2 Niederlagen
Klar, dieser Trainer ist natürlich viel zu schlecht für uns Elite-Fans, die sich nichts anschauen, zur WM mal einschalten, sich über die Kritik am Gastgeber beschweren weil sie in Ruhe und ungestört konsumieren wollen, nur um dann am Ende selber draufzuhauen als ginge es um den FC.
Ich weiß natürlich dass vergangene Erfolge nichts wert sind, dass bei Bayern jeder Erfolg hat weil das total leicht ist, und dass man in den Foren der Welt eh alles besser weiß.
Andere haben sich hier im Forum zumindest im Bereich der N11 nie (!) zu Füllkrug geäußert, und meinen nun plötzlich der hätte natürlich auf jeden Fall unbedingt und immer spielen müssen. Nicht falsch verstehen, mit einem Füllkrug von Anfang an hätte das Spiel gegen Japan vielleicht wirklich anders ausgesehen (wobei dort 60 Minuten überzeugend waren), aber ich kann Kritik von Leuten irgendwie nicht ernst nehmen, wenn man das Gefühl hat die springen einfach nur auf den Zug auf. Wer hat denn vor 4 Monaten gefordert hier dass Füllkrug unbedingt mitmuss als Stamm-Stürmer?
Generell empfinde ich die Kritik am Spielstil wenig reflektiert. Jetzt sind wir rausgeflogen in einer WM Vorrunde, da soll und muss natürlich analysiert werden woran es lag, aber lasse ich mal die N11-Thread Revue passieren, klingt das in Retrospektive für mich ja so:
- Werner als Stürmer? Der ist ein Hu.... vom Konstrukt, fott mit dem!
- Havertz? Hat nie Ballkontakte und bringt nichts...weg!
- Müller? Nee, den bitte nicht ganz vorne...
- usw. usf.
Sprich- egal wer vorn spielt, Fußballdeutschland ist eh nicht zufrieden. Und Zeit möchte man Spielern schon gar nicht geben.
Da schreibt einer der Forenoberkritiker im Februar, dass Schlotterbeck eine Granate werden wird, und das sehr gut für Deutschland ist. Nach dem dummen Fehler gegen Japan muss der natürlich sofort weg und raus, völlig außer Form. Spielern Zeit geben? Wo käme man denn da hin? Ich habe mich auch über das Gegentor geärgert, aber diese Erwartungshaltung hier - für mich auf ähnlichem Niveau wie die letzten 30 Minuten gegen Japan.
Um es mal kurz zu machen. Solange es keinen Erfolg versprechenden Plan B gibt, der sofort zur Verfügung steht, kann ich mit Flick leben. Der muss natürlich seine Fehler analysieren- wechselnde Abwehrketten sind sicher nicht hilfreich. Aber die Zeit sollte man ihm geben.
Von Euch schonungslosen Dauernörglern hat die DFB Wohlfühloase 2014 vermutlich niemanden gestört, als Bierhoff und Löw den Titel geholt haben. Bleibt der Erfolg aus, ist das natürlich das absolute Argument gegen den Trainer- genauso wie eine Flugroute.
Flick hat jetzt Zeit bis zur EM, eine stabile Abwehr einzuspielen, und sich einen Plan zu überlegen für das Offensivspiel wenn man mit Kurzpässen nicht durchkommt. Wird das bei der EM auch nichts, sollte man sich trennen, denn dafür ist das Spielermaterial eigentlich gut genug. Einen Klinsmann oder Klose haben wir freilich nicht im Sturm, das sollte in Fankreisen aber auch mal so langsam ankommen.